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Photoshop: Geschliffene Arbeit mit Raw-Daten

Serie Photoshop CS2

Geschliffene Arbeit mit Rohdaten

Im Raw-Format abgespeicherte Bilder gelten als der neue Standard im oberen Digitalkamera-Segment. Die neue Version von Camera Raw in Photoshop CS2 wird der aktuellen Entwicklung gerecht und beglückt mit neuen Automatisierungsfunktionen.

GÜNTER SCHULER In der Digitalfotografie geniesst der Pack-Allrounder JPEG längst nicht mehr die uneingeschränkte Bedeutung wie noch vor ein paar Jahren. Zumindest im professionellen Bereich sind Kamera-Rohdaten längst zur favorisierten Wahl avanciert. Zu verdanken ist das vor allem der Entwicklung im Bereich der Kameras. Fast alle gängigen SLR-Modelle ermöglichen mittlerweile das Abspeichern im Raw-Format. Vorteil: immer noch recht kompakte Dateien; anders als bei JPEG erfolgt die Kompression jedoch verlustfrei. Als weiterer Pluspunkt hinzu kommen aufnahmespezifische Metadaten. Sie liefern bereits während des Importvorgangs Informationen über Stärken oder mögliche Defizite der Aufnahme. Entscheidend hinsichtlich der Nachbearbeitung ist jedoch, dass beim Bild­import 16 Bit Farbtiefe angeliefert werden (siehe auch Kasten «Das Raw-Format»).

Adobe ist auf den Rohdaten-Zug vergleichsweise spät aufgesprungen. Erst seit der Version CS1 gehört das programmeigene Importmodul Camera Raw fest zum Photoshop-Lieferumfang. Mit Regulierungsfunktionen für Weissbalance, Belichtung, Tiefenangleich, Helligkeit, Kontrast, Sättigung, Schärfe-, Rauschen- und Vignettenkorrektur, Farbraum, Weiterbearbeitungsfarbtiefe, Grösse sowie Auflösung offerierte bereits die Vorversion Bearbeitungsmöglichkeiten, welche sich hinter denen von teuren Raw-Spezia­listen wie Capture One nicht zu verstecken brauchten. Hinzu gekommen sind in der aktuellen Version aktivierbare Autokorrekturboxen im Reiter Anpassen, ein zusätzlicher Reiter namens Kurve sowie die Möglichkeit, Raw-Bilder im Batch-Modus zu importieren.

Kurven und Autokorrektur

Einen Reiter für Gradationskurven werden sich versierte Raw-Bild-Bearbeiter sicherlich gewünscht haben. Im Mittelpunkt steht ein Tonwertediagramm, wie Photoshop-User es auch vom Befehl Gradationskurven her kennen. Eine Popup-Liste ermöglicht das Auswählen von drei voreingestellten Tonkurven: Linear (keine Veränderung), Mittlerer Kontrast und Starker Kontrast. Der vierte Punkt, Eigene, erscheint stets dann, wenn an der Gradationskurve eigene Einstellungen vorgenommen werden. Das Abspeichern eigener Gradationskurven erfolgt auf der generellen Ebene über den neuen Punkt Einstellungsteilmenge abspeichern. Aufzurufen ist dieser über das Einstellungen-Menü, erreichbar über den Dreieck-Button oben rechts hinter Einstellungen. Wird die Einstellungsteilmenge im Camera-Raw-Unterordner Curves abgespeichert, lässt sie sich zukünftig direkt über das Popup-Feld hinter Tonkurve aufrufen.

Autokorrektur mit guten Ergebnissen

Dass Einstellungssets in Camera Raw 3 eine grössere Bedeutung geniessen als noch in der Vorversion, wird vor allem beim Arbeiten mit den vier neuen Autokorrektur-Checkboxen im Reiter Anpassen deutlich (siehe Abbildung oben). Zunächst einmal nehmen sie recht praktische Anpassungen vor in den zentralen Bereichen Belichtung, Tiefen, Helligkeit und Kontrast. Anders als die althergebrachten Automatikkorrekturbefehle im Photoshop-Menü Anpassen vollziehen die Auto-Buttons nicht nur eine sehr umfassende und überraschend brauchbare Korrektur von Bildhelligkeit und Kontrast. Da die Korrektur von den darunter liegenden Regler-Einstellungen mitvollzogen wird, bildet sie eine gute Ausgangsbasis für die Optimierung im Detail.

Zumindest die Entwickler von Adobe scheinen die Autokorrektur für den eigentlichen Hit von Camera Raw 3 zu halten. Die Autokorrekturen sind auch in der Einstellung Camera-Raw-Standards aktiviert. Diese lässt sich modifizieren oder komplett durch ein anderes Einstellungsset ersetzen. Zum Zuge kommt die Standardeinstellung jedoch insbesondere bei der Anzeige von Bildvorschauen im neuen Dateibrowser Bridge. Folge: Bei noch nicht bearbeiteten Bildern werden nicht die unbearbeiteten Rohdaten angezeigt, sondern vielmehr eine bereits optimierte Version. In den meisten Fällen dürfte diese Unterstützung zwar gelegen kommen. Dass die umfassenderen Bildverwaltungs-, Ansichts- und Importfunktionen von Bridge mitunter jedoch dezidierte Detailentscheidungen beim User erfordern, wird weiter unten noch gesondert dargestellt.

Camera Raw im Batchbetrieb

Nicht minder wichtig als aktivierbare oder deaktivierbare Autokorrektur-Einstellungen ist die Möglichkeit, mehrere Bilder auf einmal zu importieren. Der Vorgang gestaltet sich vergleichsweise einfach: Bilder im Öffnen-Dialog oder in Bridge markieren und Importvorgang starten. Anders als beim Öffnen eines einzelnen Bildes erscheint auf der linken Seite des Importfensters eine Leiste mit Miniaturen der ausgewählten Bilder. Durch Klicken mit gehaltener Befehls- oder Umschalttaste können die hier präsenten Bilddateien nun markiert werden. Der Öffnen-Button unten rechts zeigt die Anzahl der markierten Bilder mit an. Sollen alle ausgewählten Bilder auf einen Rutsch geöffnet werden, genügt es, den Button Alles auswählen anzuklicken oder den Shortcut Befehlstaste + A zu betätigen. Geöffnet wird das markierte Bildmaterial schliesslich durch Klicken auf den Öffnen-Button: Die Bilder werden im Batch-Betrieb importiert und in Photoshop geöffnet.

Batchbetrieb und Autokorrektur kombiniert

Angesichts der neu eingebauten Autokorrektur ist die Frage wichtig, welche Korrektureinstellung beim seriellen Öffnen von Bildern eigentlich angewendet werden soll: keine, die Standardeinstellung Camera-Raw-Standards mit aktivierter Autokorrektur oder eine eigene? Insbesondere Bildserien – etwa Abendaufnahmen oder Fotos von einem speziellen Shooting – bieten sich für eine übergreifende Optimierung geradezu an. Camera Raw 3 offeriert hier als zusätzliche Unterstützung den Button Synchronisieren. Der so einbezogene ideelle Serienmittelwert bewirkt meist keine nachvollziehbaren Veränderungen. Daher dürfte ein direktes Feintunen der zu öffnenden Bildserie über die Schieberegler rechts der Weg sein, der mehr Erfolg verspricht – sofern man sich nicht generell auf die Autokorrektur-Einstellungen verlässt oder das Bildmaterial prinzipiell lieber unoptimiert in Photoshop weiterbearbeitet.

Camera Raw 3: dezidierteres Handling

Wie der letzte Abschnitt verdeutlicht, winken nicht nur Automatikkorrektur und Batchbetrieb mit neuen Möglichkeiten. Hinterlegte Einstellungssets mit Vorgaben zu Belichtung, Tiefen, Helligkeit, Kontrast, Schärfung, Kurven sowie weiteren Parametern sind beim Öffnen von Bildserien fast unumgänglich. Auch die «Reset»-Einstellung – völlig unoptimierte Rohdaten ohne Schärfung, Kontrastkurven und Ähnliches – wird sich mancher User auf ein spezielles Set legen, das dann nur noch via Popup-Liste aufgerufen werden muss. Deutlicher wird der Unterschied zur Vorversion 2 jedoch weniger aufgrund der Veränderungen im Importmodul selbst als vielmehr durch die unterschiedlichen Optionen beim Öffnen von Bildern überhaupt. Seit CS ermöglicht Photoshop hier zwei grundsätzliche Wege: zum einen über den obligatorischen Öffnen-Dialog in Photoshop selbst, zum anderen über den neuen, programmübergreifenden Dateibrowser Bridge (in der Vorversion: die Dateibrowser-Palette). Beim Öffnen-Dialog hat sich wenig getan. Auch die neu eingebaute Wahlmöglichkeit zwischen Betriebssystem-Interface und Adobe-Interface bietet im Grunde nur Altvertrautes. Gescrollt wird wie gehabt nach Dateinamen; die dahinter abgebildete Bildminiatur dient wie in alten Zeiten lediglich der Groborientierung.

Alternative: mehrere Bilder über die Bridge öffnen

Insbesondere beim Handling von grossen Bilddatenbeständen erweist sich das neue Bildverwaltungstool Brigde daher als die in fast jeder Hinsicht attraktivere Lösung (ein separater Beitrag zu Adobe Brigde folgt in der nächsten Publisher-Ausgabe). Anders als die sehr unvisuelle, auf die Auflistung von Dateinamen ausgerichtete Darstellung im herkömmlichen Öffnen-Dialog präsentiert Bridge den Inhalt eines Bildordners nicht nacheinander, sondern auf einen Blick – wie auf einem Leuchttisch. Anstatt über den Dateinamen wie bisher können Bilder somit über ihre jeweilige Miniatur-Vorschau zusammengesucht und zum Öffnen markiert werden. Was dann geschieht, hängt von den Details ab. Importieren lassen sich derart markierte Rohdaten nämlich auf zwei unterschiedliche Weisen: durch Doppelklick auf eine der markierten Bildminiaturen oder durch Aktivierung einer der folgenden drei Befehle im Bridge-Menü Datei: Öffnen, Photoshop CS2 (Standard) sowie In Camera Raw öffnen. Der kleine, jedoch durchaus bedeutsame Unterschied: Vom User vorgenommene Veränderungen der Parameter für Farbtiefe und Auflösung werden nur von den beiden ersten Öffnen-Befehlen übernommen; Doppelklick im Bridge-Interface selbst sowie der Spezialbefehl In Camera Raw öffnen setzen zwar vorgenommene Einstellungen um, allerdings nicht die Veränderungen im generellen Einstellungsfeld Workflow-Optionen.

Fazit

Der beschriebenen Detail-Ungereimtheiten zum Trotz bleibt der Gesamteindruck des neuen Camera-Raw-Moduls positiv. Generell lässt sich konstatieren: Erst mit dem neuen Dateiverwaltungstool Bridge wird die aktuelle Photoshop-Version richtig rund. Insbesondere das Arbeiten mit Raw-Dateien profitiert von der neuen Zusatzeinheit erheblich. Dies betrifft nicht nur die nach visuellen Kriterien erfolgte Gestaltung der Arbeitsoberfläche. Auch in den Bereichen Stapelverarbeitung und Metadaten-Handling ist Bridge ein Tool, auf dessen Einsatz man, ist man erst einmal auf den Geschmack gekommen, kaum noch verzichten möchte. Durch die Implementierung der beiden neuen Funktionen Autokorrektur und Importieren im Batch-Modus ist auch die aktuelle Version von Camera Raw weitaus besser auf das Handling umfangreicher Bildbestände eingestellt als die Vorgängerversion. Was es zu Bridge – dem Herzstück der neuen Photoshop-Version – schliesslich Weiteres zu berichten gibt, erfahren Sie in der folgenden Publisher-Ausgabe.